Suche nach Auswegen aus der Not
Wer seine Landwirtschaft aufgeben oder zur Sicherung des Existenzminimums einem zusätzlichen Erwerb nachgehen musste, konnte jetzt nur noch Tagelöhner werden. Dies galt auch für die Kinder der Bauern. Nicht einmal die eigenen, erwachsenen Kinder konnten mitversorgt werden. Sie mussten sich anderswo verdingen. So arbeitete auch ein Sohn von Jacob Geiz im Tagelohn u. a. bei dem Biedenkopfer Posthalter Stapp, einem der wenigen begüterten privaten Grundbesitzer, bei dessen Familie während des ganzen 19. Jahrhunderts zahlreiche Kombacher in Lohn standen. Ludwig Acker machte während eines Verhörs auf die Frage nach seinem Vermögen deutlich, dass er sein väterliches Erbe noch nicht erhalten habe und sich von seiner Hände Arbeit ernähre, also als Tagelöhner sein Auskommen finden müsse. Jost Wege, der Sohn des Schultheißen von Wolfgruben, diente in seinem Heimatort als Knecht.
Jedoch gab es vor Ort nur für einen Bruchteil der Arbeitssuchenden auch Beschäftigung. Viele erwirtschafteten ihren Broterwerb deshalb in der Fremde als Schnitter, Erntearbeiter, Drescher oder Schafscherer bis in Südhessen und am Rhein. Ludwig Acker beispielsweise arbeitete als Drescher in Trebur bei Groß-Gerau. Wer aber nicht einmal seine Wegzehrung dorthin aufbringen konnte, blieb bettelarm zu Hause.
Schließlich blieb vielen nichts anderes übrig, als ihr Dorf und somit die Heimat für immer zu verlassen. 1819 kam es, besonders aus den Hinterländer Ämtern wegen der quälenden Notlage zum ersten Auswandererzug nach Amerika. Die Einwohnerzahl des Hinterlandes sank rapide, ein Indiz für diese Entwicklung ist auch die Bevölkerungszahl Kombachs, die zwischen 1799 und 1828 von 193 auf 142 und damit um mehr als 25 Prozent zurückging.
Sohn Heinrich Geiz gehört zu den Männern, die ihren Heimatort Kombach bereits verlassen hatten. Er war Soldat in Offenbach am Main geworden und hatte dort eine junge Frau kennengelernt, die von ihm ein uneheliches Kind bekam. Um aber in Mühlheim a. M., dem Heimatort seiner Frau, als Bürger ansässig werden und heiraten zu können, hatte er jedoch eine Rezeption, d. h. ein Einzugsgeld von 200 Gulden zu zahlen, womit sich die Gemeinden, wie damals allgemein üblich, gegen wirtschaftlich schwache Umzügler schützen wollten. In der Praxis führte dies aber nicht zu dem gewünschten Erfolg sondern zu einer Vielzahl unehelicher Kinder und wilder Ehen.
Wie aussichtslos aber Heinrichs Lage wirklich war, wird deutlich, wenn man die geforderte Summe von 200 Gulden mit dem Tagelohn eines Landarbeiters (1/4 Gulden) oder dem eines Arbeiters in der Stadt Kassel (1/ 2 Gulden) vergleicht.
Nimmt man nun alle diese verschiedenen Ereignisse zusammen, so versteht man, dass es die schiere Existenznot war, die immer mehr Bauern und Tagelöhner dazu brachte, sich einen Teil ihrer Lebensgrundlage für ihre Familien wenigstens durch verbotenes Wildern* in den landesherrlichen Wäldern und Gewässern zu sichern. Vater und Söhne Geiz waren aber nur eine von den sogenannten zahlreichen Wilderern in dieser Gegend. Als man zwischenzeitlich David Briel aus Dexbach kennengelernt hatte, wird es verständlich, dass man dessen Vorschlag, der Armut durch den Raubüberfall für immer ein Ende zu machen, annahm.
* Quelle Wikipedia) Ursprünglich hatten alle das Recht, zu jagen. Dieses wurde auch noch bis weit ins Mittelalter nicht angegriffen, und so durfte jeder Freie, vornehmlich die Bauern, jagen, um entweder seinen Viehbestand oder seinen Grund vor Wildschaden zu verteidigen oder um sich Nahrung zu verschaffen. Doch mit der immer weiter steigenden Abhängigkeit der Bauern von ihren Landesherren sowie der steigenden Besitzergreifung von freien Ländereien seitens des Adels wurde dieses Recht mehr und mehr ausgehöhlt. Als der Adel damit begann, die Jagd als eine sportliche Herausforderung und als vergnüglichen Zeitvertreib zu verstehen, wurde den Bürgern schließlich das Recht der Hohen Jagd entzogen und unter Strafe gestellt. Ernteschäden durch Wildverbiss und Ernteausfälle, verursacht durch Flurschäden adliger Jagdgesellschaften, die über die Felder stürmten – ohne Anspruch auf Entschädigung für die Betroffenen –, nahmen zu. So nahmen die Strafen für Wilderei schnell schwere Ausmaße an und konnten bei Wiederholungstätern auch bis hin zur Gefängnisstrafe oder Todesstrafe reichen. Der Adel wollte durch die drakonischen Maßnahmen die Wilderei von Anfang an im Keim ersticken. Das Phänomen des Wilderns hatte durchaus auch politischen Sprengstoff, da es mit der Nichtanerkennung des Herrenrechts der Jagd aus Sicht des Adels die vermeintlich von Gott gewollte hierarchische Ordnung bedrohte. Die Wilderei erhielt damit die Qualität eines politischen Verbrechens.